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7. Oktober 2005          PDF version
AS-104-2005

Veröffentlichung der Asiatischen Menschenrechtskommission (AHRC)

Diskussionsstart für den Entwurf der Asiatischen Charta für Rechtsstaatlichkeit

Die AHRC führt vom 9.-14. Oktober 2005 in Hong Kong ihr erweitertes Studienprogramm für Menschenrechtsarbeit durch. Die Teilnehmer kommen aus 10 Nationen Asiens. Zu diesem Anlass startet die AHRC eine Diskussionsreihe mit dem Ziel eines Entwurfs für eine Asiatische Charta für Rechtsstaatlichkeit.

In Hinblick auf den Entwurf einer Asiatischen Charta für Menschenrechte, startet die AHRC eine Diskussions- und Verhandlungsreihe über den Zusammenhang von Rechtsstaatlichkeit und der Umsetzung von Menschenrechten. Bis zur Veröffentlichung des Schlussentwurfs ist ein breiter Dialog und eine Reihe von Konsultationen geplant. Diese Arbeit schließt sich den Ergebnissen der Asiatischen Menschenrechtscharta – einer Volkscharta, die im Mai 1998 in Kwangju, Südkorea deklariert wurde.

Die radikalen Themen der Volkscharta müssen aus der Perspektive der Verwirklichung von Rechten weiter entwickelt werden. Die AHRC hat das vorherrschende Versagen der Rechtsstaatlichkeit in weiten Teilen Asiens wiederholt als das deutliche Hindernis für die Durchsetzung von Menschenrechten herausgestellt. Es ist das Anliegen dieser Diskussionsreihe, einfachen Bürgern, betroffenen Gruppen und Akademikern in ganz Asien die Möglichkeit einer detaillierten Formulierung der Probleme in Bezug auf den Kollaps der Rechtsstaatlichkeit zu geben. Anschließend werden die Beobachtungen und Empfehlungen in ein Dokument umgesetzt, das den üblichen Problemen Rechnung trägt, mit denen die Menschen in allen asiatischen Ländern konfrontiert sind, und das Wege vorschlägt, mit denen diese Probleme angesprochen und gelöst werden können.

Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit

Zahlreiche Versuche in ganz Asien wurden unternommen, die Demokratiebewegung voranzutreiben, größtenteils ohne Erfolg. Die Ursache für das Scheitern liegt in dem Fehlen von begleitenden Strategien zur Entwicklung und Stärkung der Rechtsstaatlichkeit. Als Ergebnis davon, ermöglicht die gestörte Rechtsstaatlichkeit Verwerfungen in und sogar die Zerstörung von demokratischen Institutionen und Praktiken. Eine Parlamentswahl ohne rechtsstaatlichen Hintergrund beispielsweise wird lediglich zu einer Farce, die diejenigen Machthaber legitimiert, die fähig sind, den Wahlvorgang zu manipulieren. Ein Parlament übt Betrug, wenn legislative Macht zum Nachteil von Grundfreiheiten missbraucht wird. Das Fehlen von Rechtsstaatlichkeit eröffnet Wege für die Korruption, die sich dann krebsartig im demokratischen System ausbreitet. Jeder Förderungsversuch für die Demokratie muss daher von einem gleichstarken Bestreben begleitet werden, Rechtsstaatlichkeit zu etablieren und zu unterstützen.

Ebenso hängen alle heute als universal anerkannten Menschenrechte für ihre Umsetzung, von dem Vorhandensein eines handlungsfähigen Rechtsstaates ab. Das Recht auf Leben beispielsweise hängt weitgehend von staatlichen Institutionen ab, die dazu bestimmt sind Grundrechte zu respektieren, schützen und zu erfüllen. Wenn diese Auflagen nicht erfüllt sind, kommt es zu Hunger, Krankheiten und dem Kollaps von Bildungsinstitutionen. Das Fehlen von effektiven Untersuchungen, Anklagen und juristischen Mechanismen kann das Recht auf Leben und Freiheit ebenso gefährden: unschuldige Leute werden Opfer von willkürlichen Strafen, sogar des Todes. Daher werden den Menschen beim Fehlen von Rechtsstaatlichkeit trotz der Verkündung von Rechten in nationalen Verfassungen oder der Mitgliedschaft von Staaten in internationalen Pakten, ihre Rechte vorenthalten. Artikel 2 des Internationalen Pakts über Bürgerliche und Politische Rechte und der Internationale Pakt über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte drücken dies aus, indem sie Staaten zu legislativen, judikativen und administrativen Maßnahmen verpflichten, die den Menschenrechten Rechnung tragen.

Versagen von Rechtsstaatlichkeit und Schlüsselinstitutionen

Wer Menschenrechte zu fördern versucht, sieht sich in allen Ländern Asiens großen Hindernissen gegenüber. In einigen Ländern wird mit der Begründung die Ordnung mit oder ohne Gesetze aufrecht erhalten zu wollen, das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit selbst abgelehnt. Aus diesem Grund wird das Gesetz von Beamten und Bürokraten als ein Hindernis für die Entwicklung des Landes und die soziale Stabilität angesehen und wird teilweise durch das Handeln der exekutiven Gewalt verdrängt. Eine der Konsequenzen ist der Wandel von gesetzesausführenden Beamten zu ordnungsdurchsetzenden Beamten. Eine weitere Konsequenz sind barbarische Akte – Massaker, das zahlreiche Verschwinden von Menschen, außergerichtliche Tötungen und Folter – die von der Polizei und anderen Autoritäten ungeachtet rechtlicher und konstitutioneller Beschränkungen durchgeführt werden. Viele Regierungen vernachlässigen sogar die finanzielle Grundunterstützung und die Bereitstellung weiterer grundlegender Ressourcen, die für das sachgerechte Funktionieren von Strafverfolgungsbehörden und des Justizsystems (Gerichte) notwendig sind. Dies betrifft Gehälter und Leistungen, Bildungseinrichtungen und Ausstattungen für Untersuchungseinrichtungen wie den forensischen Abteilungen. Das bedeutet, dass Gesetze, selbst wenn sie auf dem Papier existieren, nicht durchgesetzt werden können, da die Mitarbeiter vieler Institutionen angeben ihr Mandat aufgrund mangelnder Ressourcen nicht ausführen zu können.

Die primären Institutionen, die für die Verwaltung des Rechts verantwortlich sind, wie die Polizei, die Anklage und die Justiz, stehen erheblichen Problemen gegenüber. Diese sind teilweise durch historische Entwicklungen dieser Institutionen verursacht, die erschwert wurde durch Kolonialismus, feudale Traditionen, inhärente gesellschaftliche Diskriminierung und Perioden von internen Konflikten oder Bürgerkriegen. Andere Probleme basieren auf der fehlenden Unabhängigkeit dieser Institutionen dabei, ihre Pflichten mit Sachverstand und Integrität auszuüben. Oft werden von politischen Autoritäten Versuche unternommen jene Institutionen zu ihrem eigenen Vorteil zu manipulieren, wodurch sie deren Objektivität und Unparteilichkeit beeinflussen. Ohne die Untersuchung der Ursachen und wohl durchdachte Entwicklungsversuche jener Institutionen, ist es nicht möglich zu vermeiden, dass die Institutionen selbst zum Hindernis von Rechtsstaatlichkeit werden. Es ist ebenso notwendig zu untersuchen, wie die politische Umgebung geschaffen werden kann, die für das Aufleben von Rechtsstaatlichkeit nötig ist. Solche Studien sollten daher einen wichtigen Bestandteil dieser Diskussionsreihe darstellen.

Der defekte Polizeiapparat in vielen Ländern ist ein Schlüsselproblem für die Verwirklichung von Rechtsstaatlichkeit. Das Verhalten der Polizei ähnelt oft dem des Militärs oder dem paramilitärischer Kräfte. Solch ein Kontrollwesen ist unfreundlich zu Zivilisten und gebraucht üblicherweise Gewalt als Arbeitsmethode. Folter wird als Ergebnis solcher Kontrollstrukturen oft zu einer üblichen Gewohnheitspraxis.

Die Mechanismen zur Strafverfolgung haben ebenso grundlegende Probleme, die die Aufrechterhaltung des Rechtsstaates erschweren. In einigen Ländern wird die Strafverfolgungsbehörde direkt vom Staat kontrolliert und für politische Zwecke benutzt. Falsche Anschuldigungen gegen die politische Opposition sind eine übliche Erscheinung. In ähnlicher Weise gründet die Strafvervolgung in vielen Situationen ihre Entscheidung nicht auf den Rechtsstaat sondern auf irrelevante Faktoren wie politischen Druck. Solcher Druck ist in Systemen ohne eigenständige Anklagemechanismen größer, wodurch die gleiche Behörde sowohl für Staatsangelegenheiten als auch für Verbrechensverfolgung zuständig ist. In Zeiten von zivilen Konflikten traten in bestimmten Strafverfolgungssystemen Praktiken auf, die im Widerspruch zu internationalen Normen stehen, beispielsweise beim Einsatz von Staatsanwälten als Verteidiger von Militär und Polizeibeamten, die wegen weitreichenden Menschenrechtsmissachtungen angeklagt sind. Diesen Beamten wurde dann von ihren Verteidigern geraten Aussagen und Beweise zu fabrizieren, was wiederum die Moral und Glaubwürdigkeit der Staatsanwaltschaft beeinflusst.

Die Judikative ist eine weitere problematische Einrichtung die angesprochen werden muss wenn es um die Hürden bei der Schaffung von Rechtsstaatlichkeit geht. Mehrere asiatische Länder erkennen das Prinzip einer unabhängigen Judikative nicht an. Dort wo es anerkannt wird fehlen oft kompetente und qualifizierte Richter. In anderen Ländern verhängt das politische Regime schwerwiegende Beschränkungen für die Judikative und wendet sogar konstitutionelle Beschränkungen auf die richterliche Gewalt an. Durch die Berufung und Beförderung von Richtern ebenso wie durch verwaltungstechnische Vorgänge wird Einfluss genommen, um ihr unabhängiges Handeln zu verhindern.

Überwachungsmechanismen die den Rechtsstaat und Menschenrechte sicherstellen müssen ebenso untersucht werden. In einigen Ländern existieren solche Mechanismen gar nicht, während ihr Eingreifen in anderen Ländern eingeschränkt ist. Viele solcher Mechanismen leiden unter unzureichenden Vollmachten und fehlenden Ressourcen.

Zusammen mit Institutionen muss das Justizsystem und die Rechtsordnung hinterfragt werden. Ein deutlicher Aspekt des Kollapses von Rechtsstaatlichkeit ist das Problem von Randgruppen der Gesellschaft, Rechtshilfe zu erhalten. Diese Gruppen, die tatsächlich eine Mehrheit in der Region darstellen, sind oft vollkommen von Rechtsprozessen ausgeschlossen. In der Vergangenheit fanden einige solcher Ausschlüsse statt. Frauen, so genannte Unberührbare, indigene Völker und religiöse Minderheiten sind oft die, denen der Zugang zum Gesetz verwehrt wird.

Anti-Terrorismus- und Notstandsgesetze sind weitere Aspekte einer zunehmend repressiven Natur der Rechtsordnung in Asien. Die Anwendung solcher Gesetze verhindert jegliche Form von rechtlichem Schutz. Aus diesem Grund fanden während des Zeitraums solcher Gesetze Folter, Massenmord nach Inhaftierungen und das Verschwinden von Menschen statt.

In Richtung einer Asiatischen Charta für Rechtsstaatlichkeit

Die genannten, wie auch weitere Sachverhalte verlangen nach einer wahrheitsgetreuen Inbetrachtnahme dessen, was notwendig ist, um die Erreichung von Menschenrechten Realität werden zu lassen. Der Zweck, einer asienweiten Diskussion dieser Themen ist es daher, die Probleme im Detail zu dokumentieren und diese Angelegenheiten öffentlich zu beraten, um lokal sowie in der internationalen Gemeinschaft über die Punkte aufzuklären, die angesprochen werden müssen, um Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte in Asien nachhaltig durchzusetzen.

Die AHRC ruft jeden auf, sich zu beteiligen, um durch einen Beitrag dieses Projekt – der Durchsetzung von Rechtsstaatlichkeit durch konkrete Schritte – zum Erfolg zu bringen. Während themenorientierte Diskussionen in mehreren Staaten stattfinden, werden die Möglichkeiten durch email-Netzwerke, das Internet und andere Printmedien ebenso genutzt. Jegliche Kommentare und Anregungen bezüglich dieses Vorhabens sind willkommen.


Asian Human Rights Commission